DER WUNSCH ZU VERSCHWINDEN
25.09.2020 – 20.06.2021
Museum Ratingen
www.stadt-ratingen.de
Täglich hinterlassen wir unzählige Spuren von uns und unserem Umfeld im virtuellen Raum, und es werden Wege, Standorte, Fotografien, Selfies, Meinungen, Posts und vieles mehr aufgezeichnet. Wie kann man dieses stetig wachsende Archiv von persönlichen Informationen eingrenzen? Kann man die eigenen Spuren verwischen, unsichtbar machen? Der Künstler Max Schulze nähert sich in seiner neuesten Serie „Der Wunsch zu verschwinden (Camopedia)“ dieser Sehnsucht nach Unsichtbarkeit. Er hinterfragt den für die heutige Zeit ungewöhnlichen Wunsch, abzutauchen, nicht auffindbar zu sein. Dabei greift er auf militärische Tarnmuster zurück. Längst sind diese unbewusst im Alltag verankert und gehören zudem seit einigen Jahrzehnten zum gängigen Formenrepertoire von Mode und Design. Seine Gemälde, die von Camouflage-Mustern verschiedenster Zeiten, Länder und Regionen ausgehen, gaben den Anstoß, den Künstler ins Museum Ratingen einzuladen, regen sie doch herrlich die Phantasie und die Diskussion über das Medium Malerei an. Erfreulicherweise ist er der Einladung gefolgt!
Im Museum Ratingen hat er eine ortsbezogene Einzelausstellung konzipiert. Dabei reagiert er im Erdgeschoss mit einer Installation seiner Arbeiten dezidiert auf die Ausstellungsräume und kuratiert im Dialog hierzu im Obergeschoss die Präsentation von Werken aus der museumseigenen Sammlung. Der Künstler erhält somit die Möglichkeit, seine aktuelle künstlerische Entwicklung anhand der Serie „Der Wunsch zu verschwinden (Camopedia)“ sowie weiterer jüngerer Werkgruppen vorzustellen und zugleich die für ihn wichtigen Fragestellungen in der Malerei anhand der ausgewählten Gemälde und Papierarbeiten der Zeit nach 1945 des Museums Ratingen neu zu reflektieren.
Die Sammlung von Kunst nach 1945 ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal des Museums. Informel, Abstraktion, Art Brut und neue Gegenständlichkeit sind dabei Konstante, mit denen wichtige Etappen der Entwicklung in der Malerei von der frühen Nachkriegszeit bis in die 1980er-Jahre nachvollzogen werden.
Schulzes künstlerischer Fokus liegt auf dem Medium Malerei. Seine Bildsprache orientiert sich oft an dem entgegengesetzten Repertoire des Informel und des Comic, wobei sich die direkte, automatische Malweise oftmals gegen die darstellerischen Mittel der „Bildgeschichten“ deutlich zu wehren scheint.
Weiterhin charakteristisch ist, dass er sich intensiv den Räumen zuwendet, in denen er ausstellt. So arbeitet er installativ, spielt mit den Grenzen von Fläche und Raum, Werk- und Objektcharakter, High und Low Art. Dabei wird in den letzten Jahren ein konzeptueller und serieller Ansatz immer offenkundiger.
Im Museum Ratingen zeigt er nach einem kurzen Einblick in seinen Werdegang drei Werkgruppen: Die Serie „Cool Mild Pure Warm (Streetfile)“ setzt sich mit Farbsystemen und der Frage auseinander, wie Farbe in der Öffentlichkeit benutzt und wahrgenommen oder speziell eingesetzt wird. So konfrontiert er im Internet gefundenen Fotografien von Farb-Attentaten auf Denkmäler, Politiker oder Häuser, mit den fein nuancierten Farbstreifen der „Schöner Wohnen Farbtonstudio-Kollektion“. Ihm geht es um die Frage, an welchen Orten und auf welche Weise Malerei im Jahr 2020 entsteht: Wie sieht es mit der althergebrachten Kategorisierung von Abstraktion und Figuration aus? Welche Wege sucht sich die heutige Malerei und welche ästhetische Kraft ist ihr eigen? Antworten hierauf sucht Schulze auch in der zweiten präsentierten Werkgruppe „EPS“.
Ausgearbeitete Bilder auf Leinwand sind mit Styroporplatten verdeckt, bzw. gedämmt. Sie stellen einen Schutz, eine objekthafte Verkleidung des Bildträgers dar. Das Material, welches durch seine industriell definierte Größe von 100 x 50 cm den Bildraum strukturiert, ist an einigen Stellen aufgebrochen und gibt Teilbereiche der darunterliegenden Bildebene frei. Diese ist mal gestisch, mal grafisch mit informell, spontan wirkenden Bildelemente bemalt und bespritzt worden. In der Gesamtkomposition dieser Überlagerungen ergibt sich ein geheimnisvolles Bild: Was kann Malerei als Medium transportieren und was nicht? Wird durch die Dämmung versucht, die dem Bild, der Malerei, eigene Energie, zu halten, so das nicht so viel derselben entweichen kann? Oder nimmt die Dämmung des Bildgeschehens, ähnlich der Dämmung einer Häuserfassade im Stadtraum, diesem seine Individualität und Eigenheit?
In der dritten, bereits erwähnten Serie untersucht Max Schulze wiederum Tarnmuster in Kombination mit einem weiteren kommerziellen Farbsystem für den Endverbraucher. Die 32 Bilder der Serie „Der Wunsch zu verschwinden (Camopedia)“ basieren auf den 32 Farbtönen des Systems „Alpina Feine Farbe“, bei denen die Farben Namen wie „Elfenbein-Rebellin – Zurückhaltendes Pastellgelb“ oder „Leiser Moment - Graziles Graulila“ haben. Dieses speziell „kuratierte“ Farbsystem wird im Handel mit Marketing- und Wohlfühlstrategien angereichert und den Kunden als „fertiges Produkt“ für die Raumgestaltung angeboten. Schulze nimmt diese Farben als Ausgangspunkt für seine Bilder und verknüpft sie mit Versatzstücken von zu militärischen Zwecken hergestellten Camouflage-Mustern der letzten 90 Jahre. Heute ist „Camo“ ein Trend-Muster welches sich auf allen erdenklichen Produkten (von Babykleidung bis Kopfkissen) wiederfindet. Es wird nicht mehr dazu benutzt etwas verschwinden zu lassen, sondern, ganz im Gegenteil, um aufzufallen. Wie bewusst wird den Betrachtern dabei die Militarisierung von alltäglichen Dingen durch diese Muster? Der Künstler hinterfragt in seinen großformatigen Gemälden einerseits die allgegenwärtige Präsenz und Akzeptanz von Camouflage in Mode und Design, deren ursprünglicher Sinn die Unsichtbarkeit ist, andererseits spielt er mit den Emotionen, die bestimmte Farbtöne und -harmonien beim Endverbraucher provozieren sollen.
Max Schulze markiert außerdem mit seiner Ausstellung die Geschichte des Museum Ratingen: Seine Installation berücksichtigt die verschiedenen Bauabschnitte des Museums der 1970er- und 1990er-Jahre, indem er seine Werkgruppen den einzelnen Gebäudeteilen zuordnet und somit jeweils einen individuellen Fokus setzt. Ihnen ist gemeinsam, dass sie bei der Betrachtung der Originale in den sehr unterschiedlichen Ausstellungsräumen zu einer direkten und unmittelbaren Auseinandersetzung herausfordern.
Auf der Grundlage seiner künstlerischen Fragen und aus Künstlersicht stellt er zudem eine Auswahl aus den Museumsbeständen zusammen. Insbesondere seine Hängung informeller Kunst und der Art Brut, die einen Schwerpunkt in der Sammlung des Museums Ratingen bildet, lässt spannende Interpretationen erwarten. Werke des Informel von Peter Brüning, Gerhard Hoehme, Bernard Schultze, Emil Schumacher verbindet er unter anderem mit farbintensiven Arbeiten von Michael Buthe, Jannis Kounellis und Karl-Horst Hödicke. Aber auch sehr unerwartete, humorvolle Setzungen könnten die Besucherinnen und Besucher überraschen!
Text: Wiebke Sievers
Every day we leave behind countless traces of ourselves and our environment in virtual space: paths, locations, photos, selfies, opinions, posts, and much more are recorded. How can we limit this ever-growing archive of personal information? Is it possible to erase these traces of ourselves, make them invisible? The artist Max Schulze approaches this yearning for invisibility in his new series The Desire to Disappear (Camopedia). He analyses the wish – an unusual one these days – to go underground, become impossible to find. In the process, he falls back on military camouflage. These patterns have long been unconsciously embedded in our day-to-day lives, and for the past few decades have belonged to the common repertoire of forms used in fashion and design. His paintings, which draw on camouflage patterns from different eras, countries, and regions, provided the impetus for inviting the artist to the Museum Ratingen. They stimulate the imagination and discussions about the medium of painting. Fortunately, he accepted the invitation to exhibit!
At the Museum Ratingen, he has designed a site-specific solo exhibition. On the ground floor, he has responded specifically to the exhibition galleries with an installation of his own works, and in dialogue with this display he has curated the presentation of works from the permanent collection on the first floor. The artist has therefore had the opportunity to present his current artistic development through his series The Desire to Disappear (Camopedia) as well as additional recent groups of works; at the same time, he reflects upon the questions he considers most important in the field of painting, using selected post-1945 paintings and works on paper from the Museum Ratingen’s collection.
The collection of art after 1945 is an important identifying feature of the Museum. Informal art, abstraction, Art Brut, and New Objectivity are constants which trace important chapters in the development of painting from the early post-war period into the 1980s.
Schulze’s artistic focus is on the medium of painting. His pictorial language is often oriented according to the opposing repertoires of informal art and comics, whereby the direct, automatic manner of painting frequently seems to resist the representational tools of ‘picture stories’. His intense engagement with the rooms in which his work is exhibited is characteristic of his approach. He works with his installations, playing with the boundaries between planes and space, the character of his works and objects, high and low art. In recent years, a conceptual and serial approach has become increasingly apparent.
At the Museum Ratingen, following a brief overview of his career, he presents three groups of works: Cool Mild Pure Warm (Streetfile) examines commercial paint ranges and the question of how paint is used and perceived – or deployed for special purposes – in public. He juxtaposes photographs of paint ‘assassinations’ of monuments, politicians, or buildings found on the internet with the delicately nuanced colour cards of the Live Better Paint Tone Studio Collection (Schöner Wohnen Farbtonstudio-Kollektion). He occupies himself with the question of where and in what way painting is done in the year 2020: what is going on with the traditional categories of abstraction and figuration? Which paths is painting taking today, and which aesthetic powers are unique to it? Schulze searches for answers in the second group of works presented, EPS.
Finished paintings on canvas are covered, or rather insulated, with polystyrene panels. They represent a protection, an object-like cladding of the pictorial surface. The material, which provides the structure of the visual space with its industrially-defined 100 x 50 cm format, is broken open in places, revealing portions of the underlying picture plane. The surface is painted and sprayed – sometimes gesturally, sometimes graphically – with informal, spontaneous-seeming pictorial elements. The overall composition of these overlays yields a secretive image: what can the medium of painting convey, and what can it not? Is the insulation an attempt to retain the intrinsic energy of the image, of painting, so that these cannot leak out? Or does the insulation of the pictorial narrative rob it of its individuality and distinctiveness, similar to the insulation of a building façade in the city?
In the third series mentioned above, Max Schulze examines camouflage patterns in combination with an additional commercial paint range produced for consumers. The 32 paintings in the series The Desire to Disappear (Camopedia) are based on the 32 tones of the Alpina Feine Farbe paint range, in which the colours have names such as ‘ivory rebel – demure pastel yellow’ or ‘quiet moment – delicate grey lilac’. This special, ‘curated’ paint range is enhanced in the shop by feel-good marketing strategies and offered to the customer as a ‘finished product’ for their decorating needs. Schulze takes these paint colours as a starting point for his pictures and links them to fragments from camouflage patterns produced for military purposes during the past 90 years. Today, ‘camo’ is a trendy pattern found on all imaginable types of products, from baby clothes to pillows. It is no longer used to conceal something – on the contrary, it is used to make something stand out. To what degree are observers aware of the militarization of everyday objects caused by the use of these patterns? In his large-scale paintings, the artist questions on the one hand the omnipresence and acceptance of camouflage in fashion and design, the original purpose of which was to make invisible; on the other hand, he plays with the emotions that particular colours and colour harmonies are meant to provoke in the consumer.
In addition, Max Schulze highlights the history of the Museum Ratingen in his exhibition. His installation takes into account the different construction phases of the Museum from the 1970s and 1990s by allocating his different groups of works to individual sections of the building, thereby creating an individual focus in each part. What connects them all is the way viewing the originals in each of the very different exhibition spaces challenges viewers to a direct and intuitive examination.
On the basis of his artistic queries and his point of view as an artist, he has brought together a selection of works from the Museum’s collection. In particular his arrangement of informal art and Art Brut, which is a focal point of the Museum Ratingen’s collection, facilitates fascinating interpretations. He combines works of informal art by Peter Brüning, Gerhard Hoehme, Bernard Schultze, and Emil Schumacher with intensely colourful works by Michael Buthe, Jannis Kounellis and Karl-Horst Hödicke, among others. But some very unexpected, humourous juxtapositions may also surprise visitors!
Text: Wiebke Sievers
DER WUNSCH ZU VERSCHWINDEN
25.09.2020 – 20.06.2021
Museum Ratingen
www.stadt-ratingen.de
Täglich hinterlassen wir unzählige Spuren von uns und unserem Umfeld im virtuellen Raum, und es werden Wege, Standorte, Fotografien, Selfies, Meinungen, Posts und vieles mehr aufgezeichnet. Wie kann man dieses stetig wachsende Archiv von persönlichen Informationen eingrenzen? Kann man die eigenen Spuren verwischen, unsichtbar machen? Der Künstler Max Schulze nähert sich in seiner neuesten Serie „Der Wunsch zu verschwinden (Camopedia)“ dieser Sehnsucht nach Unsichtbarkeit. Er hinterfragt den für die heutige Zeit ungewöhnlichen Wunsch, abzutauchen, nicht auffindbar zu sein. Dabei greift er auf militärische Tarnmuster zurück. Längst sind diese unbewusst im Alltag verankert und gehören zudem seit einigen Jahrzehnten zum gängigen Formenrepertoire von Mode und Design. Seine Gemälde, die von Camouflage-Mustern verschiedenster Zeiten, Länder und Regionen ausgehen, gaben den Anstoß, den Künstler ins Museum Ratingen einzuladen, regen sie doch herrlich die Phantasie und die Diskussion über das Medium Malerei an. Erfreulicherweise ist er der Einladung gefolgt!
Im Museum Ratingen hat er eine ortsbezogene Einzelausstellung konzipiert. Dabei reagiert er im Erdgeschoss mit einer Installation seiner Arbeiten dezidiert auf die Ausstellungsräume und kuratiert im Dialog hierzu im Obergeschoss die Präsentation von Werken aus der museumseigenen Sammlung. Der Künstler erhält somit die Möglichkeit, seine aktuelle künstlerische Entwicklung anhand der Serie „Der Wunsch zu verschwinden (Camopedia)“ sowie weiterer jüngerer Werkgruppen vorzustellen und zugleich die für ihn wichtigen Fragestellungen in der Malerei anhand der ausgewählten Gemälde und Papierarbeiten der Zeit nach 1945 des Museums Ratingen neu zu reflektieren.
Die Sammlung von Kunst nach 1945 ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal des Museums. Informel, Abstraktion, Art Brut und neue Gegenständlichkeit sind dabei Konstante, mit denen wichtige Etappen der Entwicklung in der Malerei von der frühen Nachkriegszeit bis in die 1980er-Jahre nachvollzogen werden.
Schulzes künstlerischer Fokus liegt auf dem Medium Malerei. Seine Bildsprache orientiert sich oft an dem entgegengesetzten Repertoire des Informel und des Comic, wobei sich die direkte, automatische Malweise oftmals gegen die darstellerischen Mittel der „Bildgeschichten“ deutlich zu wehren scheint.
Weiterhin charakteristisch ist, dass er sich intensiv den Räumen zuwendet, in denen er ausstellt. So arbeitet er installativ, spielt mit den Grenzen von Fläche und Raum, Werk- und Objektcharakter, High und Low Art. Dabei wird in den letzten Jahren ein konzeptueller und serieller Ansatz immer offenkundiger.
Im Museum Ratingen zeigt er nach einem kurzen Einblick in seinen Werdegang drei Werkgruppen: Die Serie „Cool Mild Pure Warm (Streetfile)“ setzt sich mit Farbsystemen und der Frage auseinander, wie Farbe in der Öffentlichkeit benutzt und wahrgenommen oder speziell eingesetzt wird. So konfrontiert er im Internet gefundenen Fotografien von Farb-Attentaten auf Denkmäler, Politiker oder Häuser, mit den fein nuancierten Farbstreifen der „Schöner Wohnen Farbtonstudio-Kollektion“. Ihm geht es um die Frage, an welchen Orten und auf welche Weise Malerei im Jahr 2020 entsteht: Wie sieht es mit der althergebrachten Kategorisierung von Abstraktion und Figuration aus? Welche Wege sucht sich die heutige Malerei und welche ästhetische Kraft ist ihr eigen? Antworten hierauf sucht Schulze auch in der zweiten präsentierten Werkgruppe „EPS“.
Ausgearbeitete Bilder auf Leinwand sind mit Styroporplatten verdeckt, bzw. gedämmt. Sie stellen einen Schutz, eine objekthafte Verkleidung des Bildträgers dar. Das Material, welches durch seine industriell definierte Größe von 100 x 50 cm den Bildraum strukturiert, ist an einigen Stellen aufgebrochen und gibt Teilbereiche der darunterliegenden Bildebene frei. Diese ist mal gestisch, mal grafisch mit informell, spontan wirkenden Bildelemente bemalt und bespritzt worden. In der Gesamtkomposition dieser Überlagerungen ergibt sich ein geheimnisvolles Bild: Was kann Malerei als Medium transportieren und was nicht? Wird durch die Dämmung versucht, die dem Bild, der Malerei, eigene Energie, zu halten, so das nicht so viel derselben entweichen kann? Oder nimmt die Dämmung des Bildgeschehens, ähnlich der Dämmung einer Häuserfassade im Stadtraum, diesem seine Individualität und Eigenheit?
In der dritten, bereits erwähnten Serie untersucht Max Schulze wiederum Tarnmuster in Kombination mit einem weiteren kommerziellen Farbsystem für den Endverbraucher. Die 32 Bilder der Serie „Der Wunsch zu verschwinden (Camopedia)“ basieren auf den 32 Farbtönen des Systems „Alpina Feine Farbe“, bei denen die Farben Namen wie „Elfenbein-Rebellin – Zurückhaltendes Pastellgelb“ oder „Leiser Moment - Graziles Graulila“ haben. Dieses speziell „kuratierte“ Farbsystem wird im Handel mit Marketing- und Wohlfühlstrategien angereichert und den Kunden als „fertiges Produkt“ für die Raumgestaltung angeboten. Schulze nimmt diese Farben als Ausgangspunkt für seine Bilder und verknüpft sie mit Versatzstücken von zu militärischen Zwecken hergestellten Camouflage-Mustern der letzten 90 Jahre. Heute ist „Camo“ ein Trend-Muster welches sich auf allen erdenklichen Produkten (von Babykleidung bis Kopfkissen) wiederfindet. Es wird nicht mehr dazu benutzt etwas verschwinden zu lassen, sondern, ganz im Gegenteil, um aufzufallen. Wie bewusst wird den Betrachtern dabei die Militarisierung von alltäglichen Dingen durch diese Muster? Der Künstler hinterfragt in seinen großformatigen Gemälden einerseits die allgegenwärtige Präsenz und Akzeptanz von Camouflage in Mode und Design, deren ursprünglicher Sinn die Unsichtbarkeit ist, andererseits spielt er mit den Emotionen, die bestimmte Farbtöne und -harmonien beim Endverbraucher provozieren sollen.
Max Schulze markiert außerdem mit seiner Ausstellung die Geschichte des Museum Ratingen: Seine Installation berücksichtigt die verschiedenen Bauabschnitte des Museums der 1970er- und 1990er-Jahre, indem er seine Werkgruppen den einzelnen Gebäudeteilen zuordnet und somit jeweils einen individuellen Fokus setzt. Ihnen ist gemeinsam, dass sie bei der Betrachtung der Originale in den sehr unterschiedlichen Ausstellungsräumen zu einer direkten und unmittelbaren Auseinandersetzung herausfordern.
Auf der Grundlage seiner künstlerischen Fragen und aus Künstlersicht stellt er zudem eine Auswahl aus den Museumsbeständen zusammen. Insbesondere seine Hängung informeller Kunst und der Art Brut, die einen Schwerpunkt in der Sammlung des Museums Ratingen bildet, lässt spannende Interpretationen erwarten. Werke des Informel von Peter Brüning, Gerhard Hoehme, Bernard Schultze, Emil Schumacher verbindet er unter anderem mit farbintensiven Arbeiten von Michael Buthe, Jannis Kounellis und Karl-Horst Hödicke. Aber auch sehr unerwartete, humorvolle Setzungen könnten die Besucherinnen und Besucher überraschen!
Text: Wiebke Sievers
Every day we leave behind countless traces of ourselves and our environment in virtual space: paths, locations, photos, selfies, opinions, posts, and much more are recorded. How can we limit this ever-growing archive of personal information? Is it possible to erase these traces of ourselves, make them invisible? The artist Max Schulze approaches this yearning for invisibility in his new series The Desire to Disappear (Camopedia). He analyses the wish – an unusual one these days – to go underground, become impossible to find. In the process, he falls back on military camouflage. These patterns have long been unconsciously embedded in our day-to-day lives, and for the past few decades have belonged to the common repertoire of forms used in fashion and design. His paintings, which draw on camouflage patterns from different eras, countries, and regions, provided the impetus for inviting the artist to the Museum Ratingen. They stimulate the imagination and discussions about the medium of painting. Fortunately, he accepted the invitation to exhibit!
At the Museum Ratingen, he has designed a site-specific solo exhibition. On the ground floor, he has responded specifically to the exhibition galleries with an installation of his own works, and in dialogue with this display he has curated the presentation of works from the permanent collection on the first floor. The artist has therefore had the opportunity to present his current artistic development through his series The Desire to Disappear (Camopedia) as well as additional recent groups of works; at the same time, he reflects upon the questions he considers most important in the field of painting, using selected post-1945 paintings and works on paper from the Museum Ratingen’s collection.
The collection of art after 1945 is an important identifying feature of the Museum. Informal art, abstraction, Art Brut, and New Objectivity are constants which trace important chapters in the development of painting from the early post-war period into the 1980s.
Schulze’s artistic focus is on the medium of painting. His pictorial language is often oriented according to the opposing repertoires of informal art and comics, whereby the direct, automatic manner of painting frequently seems to resist the representational tools of ‘picture stories’. His intense engagement with the rooms in which his work is exhibited is characteristic of his approach. He works with his installations, playing with the boundaries between planes and space, the character of his works and objects, high and low art. In recent years, a conceptual and serial approach has become increasingly apparent.
At the Museum Ratingen, following a brief overview of his career, he presents three groups of works: Cool Mild Pure Warm (Streetfile) examines commercial paint ranges and the question of how paint is used and perceived – or deployed for special purposes – in public. He juxtaposes photographs of paint ‘assassinations’ of monuments, politicians, or buildings found on the internet with the delicately nuanced colour cards of the Live Better Paint Tone Studio Collection (Schöner Wohnen Farbtonstudio-Kollektion). He occupies himself with the question of where and in what way painting is done in the year 2020: what is going on with the traditional categories of abstraction and figuration? Which paths is painting taking today, and which aesthetic powers are unique to it? Schulze searches for answers in the second group of works presented, EPS.
Finished paintings on canvas are covered, or rather insulated, with polystyrene panels. They represent a protection, an object-like cladding of the pictorial surface. The material, which provides the structure of the visual space with its industrially-defined 100 x 50 cm format, is broken open in places, revealing portions of the underlying picture plane. The surface is painted and sprayed – sometimes gesturally, sometimes graphically – with informal, spontaneous-seeming pictorial elements. The overall composition of these overlays yields a secretive image: what can the medium of painting convey, and what can it not? Is the insulation an attempt to retain the intrinsic energy of the image, of painting, so that these cannot leak out? Or does the insulation of the pictorial narrative rob it of its individuality and distinctiveness, similar to the insulation of a building façade in the city?
In the third series mentioned above, Max Schulze examines camouflage patterns in combination with an additional commercial paint range produced for consumers. The 32 paintings in the series The Desire to Disappear (Camopedia) are based on the 32 tones of the Alpina Feine Farbe paint range, in which the colours have names such as ‘ivory rebel – demure pastel yellow’ or ‘quiet moment – delicate grey lilac’. This special, ‘curated’ paint range is enhanced in the shop by feel-good marketing strategies and offered to the customer as a ‘finished product’ for their decorating needs. Schulze takes these paint colours as a starting point for his pictures and links them to fragments from camouflage patterns produced for military purposes during the past 90 years. Today, ‘camo’ is a trendy pattern found on all imaginable types of products, from baby clothes to pillows. It is no longer used to conceal something – on the contrary, it is used to make something stand out. To what degree are observers aware of the militarization of everyday objects caused by the use of these patterns? In his large-scale paintings, the artist questions on the one hand the omnipresence and acceptance of camouflage in fashion and design, the original purpose of which was to make invisible; on the other hand, he plays with the emotions that particular colours and colour harmonies are meant to provoke in the consumer.
In addition, Max Schulze highlights the history of the Museum Ratingen in his exhibition. His installation takes into account the different construction phases of the Museum from the 1970s and 1990s by allocating his different groups of works to individual sections of the building, thereby creating an individual focus in each part. What connects them all is the way viewing the originals in each of the very different exhibition spaces challenges viewers to a direct and intuitive examination.
On the basis of his artistic queries and his point of view as an artist, he has brought together a selection of works from the Museum’s collection. In particular his arrangement of informal art and Art Brut, which is a focal point of the Museum Ratingen’s collection, facilitates fascinating interpretations. He combines works of informal art by Peter Brüning, Gerhard Hoehme, Bernard Schultze, and Emil Schumacher with intensely colourful works by Michael Buthe, Jannis Kounellis and Karl-Horst Hödicke, among others. But some very unexpected, humourous juxtapositions may also surprise visitors!
Text: Wiebke Sievers