01.10.2022 - 30.11.2022
mental space office, Bochum
https://mentalspace.eu
„Rauhfaser“ oder meist „Raufaser“ ist eine Form der Tapete mit einer ungleichmäßig strukturierten („rau(h)en“) Oberfläche. Sie wurde 1864 vom Apotheker Hugo Erfurt (1834-1922) unter ebendiesem Namen „Raufaser“ erfunden. Zuerst diente sie als Dekorationspapier für Schaufenster und als Basispapier für Leimdrucktapeten. In der Bauhauszeit der 1920er Jahre begann man, sie als Tapete bei der Innenraumgestaltung einzusetzen. Die Raufaser ist, gemessen an den Verkaufszahlen, der am weitesten verbreitete Wandbelag in Deutschland.
Trotz anhaltender Nutzung in privaten Wohnungen ist die Oberfläche dieser Tapete uneben, rau, hässlich und abstoßend zugleich. Zu stark der Wunsch, sich die nackte und pure Wandoberfläche dahinter anzuschauen, zu verlockend ist die Überraschung des sich dahinter Verborgenen.
Es vergingen Jahre, gemessen an eigenen Umzügen in neue Wohnungen und Eigenheimen meiner Kumpels, alle mit Raufaser beklebt, bis ich nun endlich einen Künstler getroffen habe, der sich systematisch mit dem Muster verschiedenster Raufasertapeten auseinandersetzt. Das vergrößerte klassische Erfurter Muster nutzt Max Schulze in seiner neuen Serie Homestories als Hintergrund und Bildträger. Wie schon in Schulzes Werkserie Der Wunsch zu verschwinden (Camopedia) aus dem Jahr 2019 interessiert den Künstler auch hier der Moment einer Militarisierung des Privaten. Die 32 Bilder der „Camouflage“ - Serie sind dem zunehmenden Trend des in die Alltagsmode integrierten Musters gewidmet.
Eine interessante Verbindung zu diesem modischen „Phänomen“ stellt der im öffentlichem Raum omnipräsente Körperkult dar, welcher in Verbindung mit den günstigen Abonnements der Fitnessketten eine militante Einheit bildet. Der Fitness-Körper der Leistungsgesellschaft soll als stressresistentes Instrument jeglichen Belastungen Stand halten können. Unser zu Hause bleibt dagegen aber eine Zitadelle, abgeschottet von der Außenwelt.
Die neue Werkserie Homestories gewährt uns nun einen Einblick in diese Zitadelle des „Schöner Wohnens“, ausgemalt mit „Alpina Feine Farben“ und beklebt mit „trendigen“ Wandtattoos „Made in Germany“ „Mit Wandtattoos gibst Du Deinen Räumen den letzten Schliff, verwandelst eine triste, kahle Wand in ein aufregendes Panorama und hast Deine Idole durch die Sticker ganz nah bei Dir“ (www.klebefieber.de).
Schulzes künstlerische Recherche begann in Onlineshops, die mit solchen Versprechen werben und Blumenmotive, harmlosen Farbspritzer oder Weisheiten verkaufen. Sie endete bei der für Verschönerungsstrategien empfänglichen „neuen Rechten“, die es sich mit Stukka-Bombern und Wehrmachtssoldaten heimelig machen. Der Perversität des „Wohnlichen“ sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt.
Die Ausstellung ist die letzte in den Räumlichkeiten im mental space office in Bochum, weshalb wir uns besonders über Ihren und Euren Besuch dort freuen würden.
„Wandtattoos sind Trend! Dank vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten für jeden Einrichtungsstil findet sich für jeden Anspruch die passende Lösung. Das Ergebnis begeistert! Aber Vorsicht: Wandtattoos machen süchtig. Wer einmal anfängt, bekommt nicht genug davon.“ (www.wandtattoo.de)
Text: Roman Zheleznyak und Max Schulze
01.10.2022 - 30.11.2022
mental space office, Bochum
https://mentalspace.eu
„Rauhfaser“ oder meist „Raufaser“ ist eine Form der Tapete mit einer ungleichmäßig strukturierten („rau(h)en“) Oberfläche. Sie wurde 1864 vom Apotheker Hugo Erfurt (1834-1922) unter ebendiesem Namen „Raufaser“ erfunden. Zuerst diente sie als Dekorationspapier für Schaufenster und als Basispapier für Leimdrucktapeten. In der Bauhauszeit der 1920er Jahre begann man, sie als Tapete bei der Innenraumgestaltung einzusetzen. Die Raufaser ist, gemessen an den Verkaufszahlen, der am weitesten verbreitete Wandbelag in Deutschland.
Trotz anhaltender Nutzung in privaten Wohnungen ist die Oberfläche dieser Tapete uneben, rau, hässlich und abstoßend zugleich. Zu stark der Wunsch, sich die nackte und pure Wandoberfläche dahinter anzuschauen, zu verlockend ist die Überraschung des sich dahinter Verborgenen.
Es vergingen Jahre, gemessen an eigenen Umzügen in neue Wohnungen und Eigenheimen meiner Kumpels, alle mit Raufaser beklebt, bis ich nun endlich einen Künstler getroffen habe, der sich systematisch mit dem Muster verschiedenster Raufasertapeten auseinandersetzt. Das vergrößerte klassische Erfurter Muster nutzt Max Schulze in seiner neuen Serie Homestories als Hintergrund und Bildträger. Wie schon in Schulzes Werkserie Der Wunsch zu verschwinden (Camopedia) aus dem Jahr 2019 interessiert den Künstler auch hier der Moment einer Militarisierung des Privaten. Die 32 Bilder der „Camouflage“ - Serie sind dem zunehmenden Trend des in die Alltagsmode integrierten Musters gewidmet.
Eine interessante Verbindung zu diesem modischen „Phänomen“ stellt der im öffentlichem Raum omnipräsente Körperkult dar, welcher in Verbindung mit den günstigen Abonnements der Fitnessketten eine militante Einheit bildet. Der Fitness-Körper der Leistungsgesellschaft soll als stressresistentes Instrument jeglichen Belastungen Stand halten können. Unser zu Hause bleibt dagegen aber eine Zitadelle, abgeschottet von der Außenwelt.
Die neue Werkserie Homestories gewährt uns nun einen Einblick in diese Zitadelle des „Schöner Wohnens“, ausgemalt mit „Alpina Feine Farben“ und beklebt mit „trendigen“ Wandtattoos „Made in Germany“ „Mit Wandtattoos gibst Du Deinen Räumen den letzten Schliff, verwandelst eine triste, kahle Wand in ein aufregendes Panorama und hast Deine Idole durch die Sticker ganz nah bei Dir“ (www.klebefieber.de).
Schulzes künstlerische Recherche begann in Onlineshops, die mit solchen Versprechen werben und Blumenmotive, harmlosen Farbspritzer oder Weisheiten verkaufen. Sie endete bei der für Verschönerungsstrategien empfänglichen „neuen Rechten“, die es sich mit Stukka-Bombern und Wehrmachtssoldaten heimelig machen. Der Perversität des „Wohnlichen“ sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt.
Die Ausstellung ist die letzte in den Räumlichkeiten im mental space office in Bochum, weshalb wir uns besonders über Ihren und Euren Besuch dort freuen würden.
„Wandtattoos sind Trend! Dank vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten für jeden Einrichtungsstil findet sich für jeden Anspruch die passende Lösung. Das Ergebnis begeistert! Aber Vorsicht: Wandtattoos machen süchtig. Wer einmal anfängt, bekommt nicht genug davon.“ (www.wandtattoo.de)
Text: Roman Zheleznyak und Max Schulze